11.10.2021 ‐ Eventnachbericht

Tag der Deutschen Einheit - mehr als Gedenken

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zeigte am Montag, den 11. Oktober 2021, anlässlich des Tages der Deutschen Einheit im Oberbank Donau-Forum seine Vielseitigkeit. Er verwandelte zum Schluss das Rednerpult in ein Dirigentenpult.

Leadership gefragt für ein neues Europa

Generaldirektor und deutscher Honorarkonsul Franz Gasselsberger würdigte einmal mehr die friedliche Wiedervereinigung von BRD und DDR. Für die kommenden Herausforderungen auf unserem Kontinent hätten seiner Ansicht nach die aktuellen politischen Spitzenkräfte mehr von den Tugenden eines Helmut Kohl nötig:

Mut, Entschlossenheit, Respekt und der Wille zur Gemeinsamkeit – das sind Werte, mit denen wir uns für die Gestaltung unserer Gemeinschaften rüsten sollten. Auch Ziele und Handlungen sind danach ausrichten.


Ralf Beste, deutscher Botschafter in Österreich, sprach unter anderem über die Langzeitfolgen der deutschen Wiedervereinigung. Einerseits könne man auf eine glückliche Entwicklung zurückblicken. Andererseits offenbarten die Ergebnisse der jüngsten Bundestagswahlen, dass immer noch eine klare Grenze zwischen den ehemals getrennten Ländern verlaufe. Viele Kommentatoren sehen außerdem die 35 DDR-Jahre von Angela Merkel als Ballast in deren Biografie.

 

Im Bild v.l.n.r.: Thomas Stelzer (Landeshauptmann OÖ), Franz Gasselsberger (Generaldirektor Oberbank), Ralf Beste (Deutscher Botschafter),  Wolfgang Sobotka (Nationalratspräsident), Foto: Eric Krügl


Gerüstet für die Zukunft

Moderatorin Christine Haiden wollte von der Linzer Stadträtin Regina Fechter wissen, was die Landeshauptstadt in 6 Jahren auszeichnen solle. Antwort:  Die hochauflösende Aufnahmen, dreidimensionalen Welten und interaktive Erlebnisse des Deep Space der Ars Electronica. Weiters die Beendigung des Ärztemangels durch genügend Abschlüsse an der medizinischen Fakultät und schließlich das geplante Wasserstoff-Kompetenz-Zentrum.


Landeshauptmann Thomas Stelzer wiederum wies auf die schwierige Gratwanderung hin, die besonderes politisches Geschick voraussetzt. „Einerseits mutig vorausgehen, andererseits stabilisierend wirken“, muss die Devise politischer Akteure lauten. Deutschland und Österreich peilen die gleichen Ziele an: Die Industrie sei unbedingt an den jeweiligen Standorten zu halten, gleichzeitig sind auch Klimavorgaben umzusetzen.


Deutschland und Österreich – ungleiche Geschwister oder doch Zwillinge?

Wolfgang Sobotka, Erster Präsident des österreichischen Nationalrates, erinnerte in seinem Vortrag an die Rolle unseres Landes im Verhältnis zum deutschen Nachbarn innerhalb vieler Jahrhunderte. Zuerst der Blinddarm Bayerns, stieg Österreich unter habsburgischer Führung zur Weltmacht auf und konkurrierte lange Zeit mit Preußen. Nach den Weltkriegen rang das geschrumpfte Land lange um eine neue Identität. Nun der Neutralität verpflichtet, bemühte es sich um gute Beziehungen zu beiden deutschen Staaten. Deutschland half Österreich im Rahmen des Marshallplanes und Mitte der 90er Jahre bei der Aufnahme in die Europäische Union. „Wir haben sehr gespannt das Ereignis des Mauerfalls beobachtet, sind wir doch durch die große wirtschaftliche Verflechtung eng miteinander verbunden“, so Sobotka. Sein Resümee: Heute seien die Beziehungen auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene exzellent. Zahlreiche deutsche Bürger schätzen unsere Heimat nicht nur als Urlaubsland, 200 000 von ihnen nutzen sie auch als Arbeitsstätte. Die Alpenrepublik habe mittlerweile ihren Minderwertigkeitskomplex abgelegt, beide Staaten verfügen über beträchtlichen Wohlstand und sind in der EU fest verankert. Der große deutsche Bruder sei vielleicht nüchterner, der kleine österreichische flexibler, weil gemütlicher und bei Nebensächlichem emotionaler. Die Unterschiede werden aber schnell zur Makulatur, wenn es um Europa geht. Unsere Bürokratien – und die ganz Europas – hinke hinter den rasanten Veränderungen bzw. der Digitalisierung her. Diese Herausforderung gelte es vor allem anzugehen.


Harmonische Klänge statt rauer Parlamentston

Beim abschließenden Konzert des Kammerorchesters der Anton-Bruckner-Universität schwang Wolfgang Sobotka als studierter Dirigent sogar den Taktstock. Werke von Mendelssohn, Haydn und Vivaldi standen am Programm. Der Spitzenpolitiker genoss es offensichtlich, einmal auf die Miss- und Zwischentöne des Hohen Hauses verzichten zu können. Er und das Orchester sorgten dafür, dass das zahlreiche Publikum – zusätzlich gestärkt von den Erfrischungen und Small Talks an der Oberbank Vinothek – entspannt und gleichermaßen angeregt den Heimweg antreten konnte.